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Der Woodman

(18.09.2011) Ben Law, ein Engländer aus West Sussex, entwickelt eine wirklich nachhaltige Wirtschaftsweise, wohnt am Waldrand, baut ein Haus aus den Gegenständen, die er selber herstellt - und gründet nebenbei noch eine Baufirma.

Der Wald von Ben Law, eine Kombination von Nieder- und Hochwald

Der ehemalige Schafhirt und Entwicklungshelfer Ben Law erwirbt 1992 für 12'000 Pfund 3.2 ha Wald im Dorf Lodsworth im englischen West Sussex, südlich von London. Da er damals kein Eigenkapital hat, bezahlt er den Wald mit Arbeiten, die er für den Verkäufer tätigt. Während mehreren Jahren lebt Ben Law in einem Unterstand. Hier arbeitet, kocht und schläft er unter einfachsten Bedingungen, bis er 1998 die Erlaubnis erhält, einen Caravan in seinem Wald aufzustellen. Nach einem langen und mühsamen Bewilligungsverfahren erhält er 2001 die äusserst selten vergebene Ausnahmebewilligung, ein Haus im Wald zu bauen. Das entscheidende Argument für die Baubewilligung ist die Tatsache, dass er Holzkohle produziert, denn zur Holzkohle-Produktion muss er 24 Stunden am Stück im Wald präsent sein.


Niederwald, eine uralte Waldwirtschaftsform mit Zukunft

Niederwaldbewirtschaftung wurde bereits im Mittelalter betrieben, und sie war in England noch im 20. Jahrhundert verbreitet. So waren 1980 in England knapp 20'000 Hektaren Edelkastanien-Niederwald ausgewiesen. Die von Ben Law bewirtschafteten Waldparzellen sind zu einem grossen Teil Niederwald, der vor über hundertfünfzig Jahren angelegt und seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr als solcher bewirtschaftet wurde. Der Wald war stark mit Rhododendron überwuchert.

So fällt er in den ersten Jahren viel ?minderwertiges? Holz. Dieses verarbeitet Ben zu Holzkohle. Köhlern ist zwar schmutzige Arbeit, aber damit können Abfallholz oder Brennholz veredelt und für gutes Geld verkauft werden. So ist Holzkohle-Produktion in den ersten Jahren ein wichtiger Teil seines Einkommens.

Heute bewirtschaftet Ben Law gut 40 ha Wald, nicht weil er soviel Wald zum Leben brauchen würde, sondern weil es in seiner Gegend viel Niederwald gibt, der nicht mehr fachmännisch unterhalten wird. Diese vernachlässigten Niederwaldflächen will er aufwerten und sie so kommenden Generationen als wertvollen Niederwald hinterlassen.


Niederwald hat viele Vorteile im Vergleich zum Hochwald:

Erstens pflanzt man beim Niederwald schnell wachsende Bäume. Ben Law kultiviert vor allem Edelkastanie, Haselnuss und Esche. Die Bäume werden auf den Stock gesetzt. Das heisst, die Stämme werden knapp über der Erde abgesägt. Anschliessend spriessen Triebe aus dem Stock. Das grosse noch vorhandene Wurzelwerk bewirkt ein starkes Wachstum der neuen Stockausschläge, die schnell zu langen geraden Trieben und später zu Stämmen heranwachsen. Pflanzt man im Hochwald eine kleine Fichte, muss diese das ganze Wurzelwerk entwickeln. Das braucht Energie und Zeit. Deshalb ist die Primärproduktion im Niederwald mit schnell wachsenden Bäumen und Sträuchern wesentlich höher als im Fichten-Hochwald.

Zweitens kann ein Niederwald grossenteils mit Handarbeit bewirtschaftet werden. Die meisten Woodmen in England kommen ohne teure Geräte aus. Auch Ben Law arbeitet wenn möglich mit Hand-Werkzeugen. So vermindert er den Maschinenlärm im Wald beträchtlich, was einen grossen Gewinn für Waldarbeiter und Natur darstellt.

Drittens können im Niederwald bereits 6 oder 7 Jahre nach der Rodung wieder wertvolle Stämme gefällt werden. Beim Hochwald dauert es 50 oder mehr Jahre bis ein gesetzter Baum genutzt werden kann.


Edelkastanie ideal für Niederwald

Der wertvollste Baum in Ben Law?s Wald ist die Edelkastanie. Sein Edelkastanien-Niederwald wurde vor 150 Jahren für die Stangen-Produktion angelegt. Die Stangen wurden für den Hopfenanbau verwendet.

Die Edelkastanie entpuppt sich als idealer Baum für die Niederwaldbewirtschaftung. Weil die Edelkastanie wie die Eiche viel Tannin enthält, zersetzt sich der Witterung ausgesetztes Edelkastanienholz viel langsamer als Fichtenholz. Zudem enthalten Edelkastanienbäume wenig Splintholz (Randholz) mit tiefem Tanningehalt, und viel Kernholz mit hohem Tanningehalt. Aus diesen beiden Gründen können nicht nur dicke sondern auch dünne Edelkastanienstämme ohne chemische Behandlung als dauerhafte Pfosten oder Zäune dienen, und gefälltes, nicht gedecktes Edelkastanienholz kann über Jahre im Wald gelagert werden ohne zu vermodern.

Edelkastanien wachsen schnell, und bei dichtem Bewuchs sind die Stämme erstaunlich gerade. Niederwald-Edelkastanien in Südengland können heutzutage bereits nach dem fünften Jahr oder traditionell nach dem siebten Jahr geerntet, das heisst auf den Stock gesetzt werden. Ein Vorteil der Edelkastanien gegenüber andern Niederwaldpflanzen wie Hasel ist, dass man Niederwald-Edelkastanien auch 10, 20 oder mehr Jahre im Wald stehen lassen und jederzeit als wertvolle Ernte einfahren kann. Dabei reduzieren sich im Verlaufe der Jahre die Anzahl Stämme pro Stock, bis nur noch einzelne Edelkastanienbäume im Wald stehen. Ben Law?s Niederwald-Kastanien produzieren kaum Früchte. Kastanien-Früchte produziert er auf veredelten Kastanienbäumen.


Niederwald ist artenreich

Um ökonomisch arbeiten zu können, dominieren meist eine oder zwei Arten den Baumbestand einer Niederwaldparzelle. Niederwald kann aber auch grosse Bäume enthalten und somit mit einem sehr lockeren Hochwald kombiniert werden. Ben Law legt kleinflächige Parzellen (maximal 0.5 ha) an und rodet diese. Sowohl Roden als auch Monokultur-ähnliche Bestände klingen nicht ökologisch, doch Ben Law?s Wald als Gesamtes enthält eine grosse Artenvielfalt, und auch seine einzelnen Niederwaldparzellen erweisen sich als erstaunlich artenreich. Allerdings muss man genau hinschauen, da die Hauptarten in den Kulturen sehr dominant sind.

Nach der Rodung gedeihen sehr viele Krautpflanzen, was vielen verschiedenen Schmetterlingsarten einen Lebensraum bietet. In seinem Niederwald wurde sogar eine sehr seltene Orchidee gesichtet, die sich nach der Rodung vermehren konnte. Um die 50 Vogelarten brüten in seinem Wald. Ein Forschungsprojekt der Universität auf seinen Parzellen zeigte, dass die Niederwaldbewirtschaftung sich sehr positiv auf die Moos- und Farnvielfalt auswirkt.


Angepasste Technologie: Transport minimieren

Ben Law bewirtschaftet seinen Wald nach ökologischen, aber auch ökonomischen Kriterien. Je nach Bedarf fällt er die entsprechenden Stämme. Sei es für Pfähle, Wildholzmöbel, Bretter oder gar als Rundholz-Balken für Häuser. Um Transportwege zu ersparen, wird das Holz möglichst vor Ort verarbeitet, zum Beispiel zu Pfählen oder Brettern. Dank seinem mobilen Sägewerk kann er vor Ort selber Balken und Bretter sägen. Das Gerät verleiht er ebenfalls.

Ein Teil des Abfallholzes trocknet er an Ort und Stelle. Einiges wird dort zu Holzkohle verarbeitet. Dazu verwendet er einen Köhlerofen, mit dem man in einem Tag Holzkohle herstellen kann. Auch hier wird der Transport minimiert, indem die Einrichtung zum Holz gebracht wird und nicht umgekehrt. Somit muss er nur das leichte Endprodukt Holzkohle abtransportieren.

Ben hat eine Reihe von Gerätschaften, um schweres Holz mit Menschenkraft zu bewegen: Winden, aber auch das Hebe- und Fahrgerät ?the mule? (zu deutsch: der Maulesel) erlauben ihm, erstaunlich schwere Stämme manuell zu transportieren.


Multifunktionale Räume bieten hohe Lebensqualität

Die Arbeit im Niederwald hat Ben Law reich beschenkt. Man spürt seine Verbundenheit mit der Natur. Offensichtlich ist hier ein bescheidener Mensch mit Begabung und Fleiss am Werk. Sein Anwesen ist ein Paradebeispiel für multifunktionale Räume, die eine überaus hohe Lebensqualität bieten. Es ist ein attraktiver Lebens- und Arbeitsort für die Erwachsenen, ein riesengrosser Spielplatz für die Kinder und ein Refugium für Tiere und Pflanzen.

Sein Projekt ist in einem hohen Grad autark: - Ben Law besitzt eigentlich alles, was man zum Leben braucht: Wald, ein eignes Haus mit Garten, eine Werkstatt, eine eigene Quelle. - Wildfrüchte, wilde Kräuter, Pilze und viele weitere Nahrungsmittel sammelt er in seinem Wald. Gemüse, Beeren und Obst wachsen in seinem Garten. - Seine Gebäude sind nicht ans öffentliche Stromnetz angeschlossen. Er hat ein eigenes Niedervoltstromnetz. Der grösste Teil seiner benötigten Energie wird im Wald produziert: Brennholz, Sonnenkollektoren, Photovoltaik und ein Windrad. Benzin für seine Fahrzeuge und Maschinen bilden hier die Ausnahme.

Ben Law scheint gegen die Gefahren des 21. Jahrhunderts bestens gewappnet: - Da er nur wenig Fremdenergie braucht, kann Erdölknappheit seinen Betrieb nicht gefährden. - Da er kaum verschuldet ist, braucht er kein Wachstum, um seine Schulden zurückzubezahlen. - Da er die meisten Dinge für den Alltag selber produziert, ist er von möglichen Lieferengpässen nicht zu sehr betroffen. - Stürme, starke Regenfälle oder andere Naturkatastrophen können kaum zu einem Totalschaden in seinem vielfältigen Niederwald führen. - Da er über sehr viele Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügt, kann er verschiedenste Arbeiten und Aufgaben übernehmen.

Sein Wald weist eine grosse Biodiversität auf. Die Bodenfruchtbarkeit wird langfristig erhalten. Es wachsen mehr Ressourcen nach als er braucht. Er benutzt kaum Gifte.


Die Arbeit im Wald, wie sie Ben Law macht, ist physisch anstrengend und der Stundenlohn für viele Arbeiten bescheiden - dennoch ernährt er als Alleinverdiener eine Familie mit drei Kindern. Ben Law hat viele Einkommensquellen und verschiedenste Möglichkeiten, Geld zu verdienen: - In seinem Wald wachsen schnell nachwachsende Rohstoffe für die verschiedensten Produkte: Viele gerade Edalkastanienstämme werden zu Pfosten, Wildholzmöbel, Schindeln, Brettern, Balken, ja sogar Rundholzhäusern verarbeitet. In den letzten Jahren war er als Baumeister für Rundholzbauten so sehr gefragt, dass er ein Baugeschäft gegründet hat. - Er verkauft mit Shiitake beimpfte, 1 m langes Holzstücke, für 15 Pfund / Stück. - 1 kg Holzkohle bringt 1 Pfund ein. Kleine Holzkohlenstücke sind wertvoll als Bodenverbesserer in Gärten. - Seine Kurse und Besuchertage sind gut gebucht, seine Beratungen begehrt, die Bücher verkaufen sich gut. - Seine Lebenskosten sind tief, denn Ben Law hat sein Haus für nur 28'000 Pfund gebaut und hält so die Verschuldung minimal. Zudem ist er Selbstversorger in einem hohen Masse. - Selbst seine Pension entnimmt er dem Wald. Seit einiger Zeit hebt er besonders wertvolle Stämme auf und trocknet sie langsam. Er will sie später als ?Pensionierter? verarbeiten oder verkaufen.

Das Dorfladenprojekt 2009 in Lodsworth zeigt, wie grosszügig Ben Law ist und wie gut es ihm wirtschaftlich geht. Seit vielen Jahren gab es in Lodsworth keinen Dorfladen mehr. Da Dorfläden ein entscheidendes Element der Relokalisierung der Wirtschaft und somit der nachhaltigen Entwicklung sind, schlug Ben der Dorfgemeinschaft vor, einen Dorfladen aus Rundholz zu bauen. Im Sommer 2009 setzt Ben Law mit Freiwilligen und Dorfbewohnern dieses Projekt um. Er schenkt dem Dorf das Bauholz für den Dorfladen und er arbeitet als Bauleiter mehrere Monate gratis. Die Aufbauphase einer solchen Existenz und Lebensweise dauert seine Zeit. Ben Law sagt, dass er vor 10 Jahren dieses Geschenk dem Dorf noch nicht hätte machen können.

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Das selbstgebaute Haus: Die Architektur hat, im Gegensatz zu den meisten anderen Bauten, das Herz der Bewohner abgebildet.

Text frei nach permakultur-beratung.ch Beat Rölli

Ben Law, Woodman, http://www.ben-law.co.uk/

 

Lesen Sie hierzu auch: Die Befreiung der Arbeit aus der Rubrik Projekte.

 

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