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Projekte

Ökopolis Tiberkul

(30.10.2011) Dieter Schaarschmidt aus Güstritz besuchte mit seiner Mitbewohnerin Hildegard Scheu und zwei Freundinnen aus dem Ökodorf-Projekt in der Altmark das sibirische Öko-Gemeinschaftsprojekt Tiberkul in Sibirien.

Tiberkul ist der Name eines wunderschönen Bergsees

Tiberkul ist der Name eines wunderschönen Bergsees, er ist weder durch eine Straße noch durch die Schiene erschlossen, und somit fast im ursprünglichen Zustand. Außer einem alten Fischerdörfchen, das von "Altgläubigen" gegründet wurde, jetzt aber halbverlassen ist, lebte hier niemand.

In dieser unerschlossenen Nachbarschaft, mitten in der bergigen Taiga, in etwa achthundert Meter Höhe, begann vor acht Jahren das einmalige Tiberkul-Gemeinschaftsprojekt. Eine christlich-religiöse Ökogemeinschaft wollte unter diesen schwierigen Lebensbedingungen ihre neue Überlebenskultur erproben und beweisen.

Dafür wurden zunächst hundert Quadratkilometer Urwald gepachtet und mit einfachsten Mitteln Holzblockhäuser gebaut, sowie alle zum Überleben notwendigen Pflanzen angebaut. Doch was treibt die zumeist intellektuellen Russen aller Altersstufen in die von archaischen Urgewalten geprägte Taiga? Ein bequemes Öko-Leben nach westlichem Standard können sie dort gewiss nicht erwarten. Allein die Sehnsucht zurück zur Natur kann es auch nicht sein, denn die Lebensbedingungen sind oft grausam hart, und Natur gibt es in Russland massenhaft.

Der Beweggrund, der bisher schon über dreitausend Menschen in diese Region gezogen hat, ist ein anderer. Es handelt sich bei diesem unglaublichen Projekt um eine
Glaubensgemeinschaft, die sich seit zehn Jahren (heute zwanzig Jahren) um ihren Gründer und Lehrer Wissarion gesammelt hat.

Die Glaubenssätze von Wissarion sind streng und konsequent, sie versprechen kein leichtes Leben. Doch vielleicht ist gerade dies im maroden, mafiösen Russland besonders glaubwürdig. Man könnte den Weg auch als dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus bezeichnen. Doch ist das materielle Leben, trotz seiner täglichen Überlebenskunst, nicht der Hauptinhalt seiner Lehre. Vielmehr geht es ihm und seiner "Familie", wie sie sich liebevoll als Brüder und Schwestern bezeichnen, darum, Hass und Neid und negative Gedanken zu vermeiden und eine allumfassende Liebe zu verbreiten.



Dass dies geht, und für jeden Besucher spürbar ist, konnte auch unsere kleine Besuchergruppe voller Erstaunen und Bewunderung jeden Tag wieder erleben. Die ohnehin schon sprichwörtliche russische Gastfreundschaft wird durch eine offene, interessante und liebevolle Umgangsart unterstrichen, die wohl einmalig auf der Welt sein dürfte.

Diese allumfassende Liebe umfasst sowohl die Natur, als auch die Tiere, und natürlich alle Menschen, also auch mögliche Feinde. Konsequenterweise gehört zu der neuen Lebensweise ein für Normalrussen undenkbarer Lebensstil. Statt fettiger Ernährung mit übermäßigem Fleischgenuss wird sogar eine vegane Lebensweise angestrebt. Außer Milch für Kinder wird also auf alle tierischen Produkte und auch Milchprodukte verzichtet. Ebenso auf Kaffee, Alkohol und alle anderen Drogen, die sonst in Russland das unerträgliche Alltagsleben betäuben. Dazu fast ohne Auto und elektrische Maschinen.

Bei dem Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte spielt allerdings auch die Erkenntnis eine Rolle, dass eine gerechte Lebensweise ohne Arm und Reich auf dieser Erde nur so möglich ist, da für die Produktion tierischer Produkte ein viel zu hoher Aufwand erforderlich ist, der nie alle Menschen satt machen kann, sondern nur die Reichen auf Kosten der Armen.

Was ist der Ausgleich für dieses scheinbar triste, entbehrungsreiche Leben? Im Gegensatz zu unserer Überflussgesellschaft sind Freude, Dankbarkeit und Fröhlichkeit noch so unmittelbar, und müssen nicht durch irgendwelchen Konsum indirekt befriedigt werden!



Ich habe in meinem Leben noch nie so viele schöne Menschen gesehen. So offen, so fröhlich, so freundlich, so hilfsbereit, so von innen heraus strahlend.

Obwohl es kaum irgendwo fließendes Wasser im Haus, oder gar eine Waschmaschine gibt, wird sehr viel Wert auf ein sauberes und gepflegtes Äußeres gelegt, was diesen strahlenden Eindruck noch verstärkt, und ihn für uns schon beinahe künstlich erscheinen lässt. Wie ein weißes Kleid trotz widrigster Umstände in Sibirien weiß bleibt, war uns lange Zeit ein Rätsel.

Trotz schlammiger Wege und verregneter Pferdekutschfahrten gelingt es besonders den Frauen, ihre zum Teil mittelalterlich anmutende Kleidung vor größeren Schäden zu bewahren. Zum einen werden die guten Kleider zu Hause sofort ausgezogen und gewechselt, also geschont. Zum anderen wird an Saunatagen gleich Wasser für die Wäsche miterhitzt, und ein Rundum-Waschtag daraus gemacht. So sind die zumeist langen, schönen Haare von den Männern und Frauen stets sehr gepflegt.

Der Tiberkul-See und der Fluss Kasir, an dem mehrere Dörfer liegen, haben Trinkwasserqualität. Es wird daraus getrunken und darin gebadet. Wäsche waschen geschieht daher nur in einiger Entfernung zum Ufer.




Das Klima

Im Wonnemonat August sieht das alles leicht und spielerisch aus, obwohl hier die Hitze von über 35°C und die sehr intensive Sonneneinstrahlung auch nicht immer angenehm sind. Doch wie lebt es sich im sprichwörtlichen sibirischen Winter mit -35°C Kälte? Das sehr kontinentale Klima führt zu sehr heißen Sommern und sehr kalten Wintern, die fast ein halbes Jahr lang dauern. Wenn man alle Monate mit Bodenfrost rechnet, sogar neun Monate lang.

Die Jahreszeiten sind intensiv, beinahe explosiv, wenn man das Frühjahr betrachtet. Wischiwaschi-Schmuddelwetter gibt es wenig. Die Holzblockhäuser, mit zumeist zweifacher Einfachverglasung, bieten sicher keinen besseren Kälteschutz als unsere Häuser. Mit Klo und Brunnen im Freien, Sauna im Schuppen und Vorratskellern im und außerhalb des Hauses kann man sich auch nicht den ganzen Winter im Haus verkriechen.

Großer Unterschied: Die Häuser sind viel kleiner als bei uns, zumeist vier Räume, die um den zentralen Koch- und Heizofen herum gruppiert sind. Die Vorräume oder Wintergärten werden im Winter nicht bewohnt, die Vorräte an Kartoffeln und Gemüse in den Kellern gelagert oder vorher sauer eingelegt und eingemacht.

Wie es mit dem Wasser im Winter funktioniert, blieb uns ein Rätsel. Es bleibt der Reiz, dies bei einer späteren Winterreise zu erkunden. Denn trotz der sibirischen Kälte und dem vielen Schnee hat auch der Winter seinen Reiz in dieser märchenhaften und waldreichen Landschaft. [Anm. d. Red.: Die Brunnen und Handpumpen funktionieren im Winter genauso wie im Sommer (manche Pumpen sogar im Winter besser wegen der erhöhten Steifigkeit des Dichtungsgummis). Der Grundwasserspiegel liegt in 6-9 Metern Tiefe, also weit unterhalb der Frostgrenze (max. 1,50 Meter).]

In dieser langen Winterszeit werden wahrscheinlich auch Bildung, Kultur und Künste besonders gepflegt. Die musikalischen und künstlerischen Fähigkeiten sind von ungeheurer Vielfalt. Auf meine erstaunte Frage, ob denn hier jeder Mensch ein Künstler sei, wurde dies bejaht, mit der Anmerkung, dass darauf sehr viel Wert gelegt würde. Die Frage, wie dies denn bei uns sei, beantwortete ich so, dass vielleicht jeder zwanzigste bei uns ein Künstler sei. In den Gesichtern spiegelte sich besorgte Betroffenheit.




Die Tempel und Schulen - in kurzer Zeit viel geschaffen

Da ich einige Tage beim Bau des Tempels in Petropáwlowka und an der neuen Schule in Tscheremschánka mitgearbeitet hatte, wusste ich, wie viel kunsthandwerkliche Kleinarbeit darin steckt. Manchmal zu meinem Ärger, denn dies war nicht immer rationell und praktisch. Aber das Ergebnis ist unglaublich kunstvoll und schön, und fast ohne Maschineneinsatz gelungen.

Bei der Schule hatte ich anfangs verstanden, es würde eine Kunstschule, nur für die Kunstausbildung. Bis ich später verstand, dass es sich um die projekteigene normale Schule des Ortes handelt, die größten Wert auf alle Künste legt.

Doch noch vor und über der künstlerischen Entwicklung und Ausbildung steht die Erziehung zur ganzheitlichen, geschwisterlichen Liebe, die bereits im frühen Kindesalter beginnt, und sichtbare Früchte trägt. Ohne den Einfluss von Fernsehen und Großstadtkriminalität scheint es hier möglich zu sein, gesunde, heile, fröhliche und glückliche Menschen zu erziehen, und ihnen darin Vorbild zu sein.

Die Allgemeinbildung läuft sozusagen nebenbei, wobei die Schulprüfungen, die vor den staatlichen Schulen abgelegt werden, überdurchschnittlich gut verlaufen. Ein Kunststück, bei drei Monaten Sommerferien, in denen wir täglich die Ergebnisse dieser Kunst-Talente vorgeführt bekamen.

Um die Tiberkul-Kerngemeinschaft, die mit fünfzig Familien im Urwald dieses Projekt begonnen haben, leben in vierzig gemischten Dörfern, die ursprünglich von Landflucht betroffen waren, jetzt weitere dreitausend Gemeinschaftsangehörige. Anfangs gab es Reibereien und Ängste von Seiten der Einheimischen, inzwischen sind sie weitgehend integriert.

Wir hatten jedenfalls das Glück, in zwei Familien in Tscheremschánka, dem "Künstlerdorf", untergebracht zu werden. Bedingung war, dass wir bestimmte Lebensmittel für den Eigenbedarf mitbrachten, und ansonsten mitarbeiteten, wo es möglich war. Die einfachen Matratzenlager wurden auf dem Fußboden im Wohnzimmer eingerichtet und tagsüber zusammengerollt.

Durch die nicht endende Reihe abendlicher Konzerte und Tanzvorführungen kam keine Langeweile auf. Im Gegenteil, wir gerieten in Stress, weil nicht alles zu schaffen war. Mehr als die Hälfte der unmittelbaren Nachbarn und Hausbewohner hatten im Laufe der zwei Wochen hochwertige künstlerische Auftritte, und das alles nur aus Freude, ohne jede Bezahlung.

Tscheremschánka hat etwa fünfhundert Einwohner, ein Drittel davon gehört zur "Familie". Es liegt malerisch am Fuß eines kleinen Berges am Ufer des Flusses Kasir. Der Fluss ist gut hundert Meter breit und hat eine so starke Strömung, dass ein Voranschwimmen gegen die Strömung nicht möglich ist. Im Frühjahr hatte das Hochwasser an der zehn Meter hohen Steilküste genagt, und allerlei Bäume mitgerissen. Wir konnten die Urgewalten nur noch erahnen, wenn wir zur sommerlichen Erfrischung in den eiskalten Fluss sprangen.




Wie steht es denn mit der politischen Ausrichtung dieses Projektes?

Man könnte sagen, es ist ein unpolitisches, rein spirituelles Projekt. Jedoch wirkt die radikale Ablehnung aller vorhandenen Gesellschaftssysteme doch wieder politisch, weil sich diese natürlich in Frage gestellt und damit angegriffen fühlen. Auf jeden Fall halten sich die Anhänger Wissarions aus der Parteipolitik heraus.

Schlimme Dinge wie Krieg, Gewalt und Verbrechen werden möglichst gar nicht in den Mund genommen, um damit das Schlechte nicht noch weiter zu "kultivieren". So wachsen die Kinder praktisch frei von den Übeln unserer Welt auf, und verhalten sich zumeist so, als wenn es nur das Gute gäbe. Eine interessante Theorie, die in unserer westlichen Welt kaum noch irgendwo durchführbar ist.



Es ist erstaunlich und bewundernswert, was unter den schweren Umständen innerhalb weniger Jahre geschaffen wurde, und wie weit die vorher auch normal lebenden Russen sich auf dieses bescheidene Leben umgestellt haben.

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Überleben der Menschheit. Wenn die modernen Gesellschaftssysteme versagen, und an ihrer eigenen Last zerbrechen, dann ist ein Überleben vielleicht dort außerhalb der Zivilisation am ehesten möglich. Nicht zurück in die Steinzeit, sondern vorwärts in eine abgelegene menschliche Hochkultur, scheint uns diese Überlebensreligion zu führen.




Dieter Schaarschmidt, D-29462 Güstritz

Sehr informative Website: http://www.oekopolis.info/ecopolis.htm

 

Lesen Sie hierzu auch: Der Krameterhof von Sepp Holzer aus der Rubrik Projekte.

 

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