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Community Supported Agriculture

(01.06.2011) Die etwas andere Bio-Landwirtschaft: Idealerweise ermöglicht das CSA-Konzept den Landwirten ? von ökonomischen Zwängen befreit ? nachhaltig zu wirtschaften. Die Menschen können wiederum aktiv Einfluss auf die Produktion ihrer Lebensmittel nehmen. Erschienen im Öko-Test Spezial.

Bei der Community Supported Agriculture sprechen die Bauern mit den Teilnehmern ab, welche Produkte angebaut werden.

Farmer John - Das filmische Vorbild

In Deutschland machte der autobiografische Kinofilm "Mit Mistgabel und Federboa" den Begriff Community Supported Agriculture (CSA) bekannt. Farmer John ist die Geschichte des einzelgängerischen John Peterson und seines Hofes "Angelic Farms" im Mittleren Westen der USA unweit von Chicago. Schon als Kind arbeitet er zusammen mit den Eltern auf dem Bauernhof der Familie. Nach dem frühen Tod seines Vaters bewirtschaftet John neben der Schule die komplette Farm. Während der Studienzeit ? es sind die 60-er und 70-er Jahre ? wird der Hof zur Hippiekommune, mit allem, was dazu gehört. Argwöhnisch beobachtet vom konservativ-ländlichen Umfeld bleibt John aber immer mit Leib und Seele Bauer. Umso härter trifft es ihn, als er ? unter dem Teufelskreis der Schuldenlast aufgrund von Maschinen-Neuanschaffungen und ausbleibenden Einnahmen brechen in den USA viele kleine Familienbetriebe zusammen ? große Teile seines Hofes und fast alle Maschinen versteigern lassen muss. Er fällt in tiefe Depressionen, reist schließlich nach Mexiko und lernt dort die Lehren von Rudolf Steiner kennen, der sein Vorbild wird. John Peterson sattelt auf organischen Anbau um, heute ist der "Angelic Organics" eine der größten "Community Owned Farms" (also ein aus betriebswirtschaftlicher Sicht von Familien auf Anteilsbasis betriebener Direkterzeugerhof), der Woche für Woche mehrere Tausend Familien im Großraum von Chicago mit frischem Bio-Gemüse versorgt. In Amerika wird der exzentrische Bauer längst als "Al Gore der Landwirtschaft" gefeiert.


Das CSA-Konzept - Was steckt dahinter?

Community Supported Agriculture steht für eine Form der Landwirtschaft, in der Nutzer und Erzeuger eine langfristige Zusammenarbeit eingehen. Die Verbraucher finanzieren im Voraus die laufenden Kosten (einschließlich der Löhne) eines landwirtschaftlichen Betriebes in ihrer Region für das jeweilige Wirtschaftsjahr. Im Gegenzug erhalten sie die dort erzeugten Lebensmittel. So entsteht ein geschlossener Wirtschaftskreislauf, für den Landwirt fallen keine Vermarktungskosten an, kurze Transportwege, der direkte Kontakt zum Erzeuger, die Frische der Ware, aber auch die Transparenz der Anbauweise sind die Vorteile für den Verbraucher.

Die Besonderheit: Bei der Community Supported Agriculture sprechen die Bauern mit den Teilnehmern ab, welche Produkte angebaut werden. Es
werden auch keine Einzelpreise für die Waren festgelegt, abhängig von der finanziellen Beteiligung erhält jeder einen Teil der Produkte. Die Nutzer übernehmen jedoch weit mehr Verantwortung, indem sie zum Beispiel tageweise einfache Arbeiten auf dem Hof erledigen.

Im Idealfall ermöglicht das CSA-Konzept den Landwirten ? von ökonomischen Zwängen befreit ? nachhaltig zu wirtschaften. Die Menschen können wiederum aktiv Einfluss auf die Produktion gesunder Lebensmittel nehmen.


Der Ursprung - Zurück in den 1960-er Jahren

Ihren Ursprung hat die Community Supported Agriculture in den 1960-er Jahren. Die einen sehen die Wurzeln in Japan, im Land der aufgehenden Sonne sind heute etwa ein Viertel der Haushalte an einem Teikei (zu deutsch "Partnerschaft") beteiligt. Die anderen legen den Grundstein nach Camphill Village, Copake New York, einer Gemeinschaft für die Betreuung behinderter Erwachsener mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft. Richtig Fahrt bekommt das CSA-Konzept erst in den 1980-er Jahren. Jan Van Der Tuin bringt sein Wissen aus der Schweiz nach Amerika mit, wo er es auf der Indian Line Farm in Massachusetts umsetzt. Zur gleichen Zeit gründet der Landwirt Trauger Groh eine CSA-Farm jenseits des großen Teichs. In Deutschland gilt der Demeter-Betrieb Buschberghof in Fuhlenhagen als Keimzelle. Aktuell gibt es hierzulande elf Gemeinschaften. Viele weitere Öko-Bauernhöfe bieten als wesentlich einfachere Variante sogenannte Gemüse-Abokisten an, sogenannte Foodcoops bündeln die Einkaufsmacht auf Verbraucherseite.


Der Buschberghof - Vorreiter in Deutschland

Der Buschberghof wird schon seit 1954 nach biologisch-dynamischen Kriterien bewirtschaftet. 1968 schenkt die Familie Loss den Besitz dann der neu gegründeten "Gemeinnützigen Landbauforschungsgesellschaft", um Bodenspekulationen vorzubeugen. Seither kümmern sich drei Familien als Arbeitsgemeinschaft um den Hof. 1988 wird schließlich eine Wirtschaftsgemeinschaft nach amerikanischem Vorbild der CSA-Bewegung gegründet, inspiriert durch die Ideen Rudolf Steiners. Trauger Groh übrigens arbeitet Ende der 60-er Jahre auf dem Buschberghof ? 17 Jahre bevor er schließlich in die USA auswandert.

Zum Hof, der östlich von Hamburg liegt, gehören rund 100 Hektar Land, 30 Milchkühe und mehrere Zuchtbullen, 40 Jungrinder, drei Zuchtsauen, ein Eber und 45 Mastschweine, zehn Mutterschafe und ein Bock, eine Norwegerstute, ein Shetlandpony, 200 Hühner, ein paar Enten und Gänse. 40 Menschen leben und arbeiten hier. Gemüse, Käse, Joghurt, Quark oder Butter, Brot, Fleisch- und Wurstwaren, kurzum alle nach Demeter-Kriterien produzierten Lebensmittel werden auf dem Buschberghof nicht im eigenen Laden oder auf dem Markt verkauft, sondern direkt an die Mitglieder abgegeben. Feste Preise für die einzelnen Produkte gibt es dem Konzept entsprechend nicht. Jedes Mitglied der Kooperative entscheidet selbst, wie viel es zum Jahresetat des Hofes beitragen kann und will ? unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten. Als Richtsatz gelten 70 Euro pro Kind und 150 Euro pro Erwachsenen im Monat. "Das ist aber nur eine Idee", betont Karsten Hildebrandt, der zusammen mit seiner Frau Johanna zur Arbeitsgemeinschaft des Buschberghofes gehört. Heißt: Ist jemand arbeitslos, stehen die anderen für ihn ein. Verdient jemand mehr, soll er mehr zahlen. So wollen die Betreiber auch Haushalten mit wenig Geld ermöglichen, sich mit hochwertigen, ökologischen Lebensmitteln zu ernähren. Kommt nicht genug für die Produktion zusammen, wird in der Mitgliederversammlung um freiwillige Nachzahlung gebeten.


Die Idee - Es wird nur produziert, was gebraucht wird

"Wir erzeugen Lebensmittel genau für die Menschen, die sie haben möchten", so Karsten Hildebrandt. Er prangert Märkte an, die die Preise diktieren. Er kritisiert die konventionelle Industrie mit Überproduktion, Lebensmittelskandalen, Preistreibereien und Zwischenhändlern. Und die Unsitte, Erdbeeren um die halbe Welt zu fliegen, nur damit deutsche Konsumenten sie auch im Winter essen können. So etwas gebe es auf dem Buschberghof nicht. Für die Hildebrandts bedeutet die Zusage der Mitglieder, ein Jahr lang einen fixen Beitrag zu zahlen, Planungssicherheit. "So werden die Waren von den Finanzströmen getrennt. Der Preis im Supermarkt hat nie etwas mit der Herstellung eines Produktes zu tun. Verpackung und Fahrwege sind mit inbegriffen." Die Kritiker sind längst verstummt. Immerhin umfasst die Wirtschaftsgemeinschaft heute 90 Haushalte mit 320 Personen.

Unspektakulär ist die Ausgabestelle. Gemüse und Obst werden ungewaschen, unsortiert und unetikettiert präsentiert. Milch wird in vom Kunden mitgebrachte Flaschen abgefüllt, der Käse ist in Papier gewickelt, das Brot wird einfach so mitgenommen. Die Menge an Frischprodukten richtet sich nach dem, was die Mitglieder eine Woche vorher per Ankreuzliste bestellt haben. "So wird immer nur das produziert, was wirklich gebraucht wird", betont Johanna Hildebrandt. Frei von wirtschaftlichen Zwängen können die Betreiber des Buschberghofes Früchte anbauen, die wegen ihrer aufwendigen Pflege auf dem Weltmarkt gar nicht bestehen würden. Oder sich der Züchtung alter Rassen widmen, die aus konventioneller Sichtweise nicht rentabel genug sind. Welche Kuh und welches Schwein geschlachtet werden, entscheiden übrigens die Mitglieder gemeinsam mit den Bauern. Abgeholt werden die Lebensmittel dann von selbst organisierten Fahrgemeinschaften. Jeder ist mal dran und verteilt die Bestellungen an die anderen aus der Region.


Auf Verbraucherseite - Gemeinsam stark

Auf Verbraucherseite sind die bereits erwähnten Foodcoops (Abkürzung von food cooperative) stark im Kommen ? vor allem im Osten von Deutschland. Da die Kooperativen Lebensmittel aus ökologischem Anbau in größeren Mengen abnehmen können, sind Bauern, Groß- und Einzelhändler wie Bioland oder Rapunzel zu einem Preisnachlass bereit. Teils sind Rabatte von 30 bis zu 50 Prozent möglich, sagen Experten.

Wie die CSA-Höfe setzen diese Verbraucherkooperativen auf die freiwillige Mitarbeit ihrer Mitglieder. Indem etwa ein Einzelner die Waren entgegennimmt und an alle anderen verteilt. Die Foodcoop in Münster hat sogar ein Bestellsystem im Internet entwickelt. Auf der Webseite kann man sich nicht nur den Einkaufskorb füllen, sondern auch seine Rechnungen begleichen. Nachdem jedes Mitglied der Gemeinschaft ein Startguthaben überwiesen hat, darf es nach Belieben bestellen.



Zeitschrift Öko-Test, Die etwas andere Bio-Landwirtschaft

 

Lesen Sie hierzu auch: 1001 Gemüse & Co aus der Rubrik Projekte.

 

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